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Zukunft des Autos "2026 kommt das Aus für den Verbrennungsmotor"

Das E-Auto wird sich durchsetzen - davon sind fast alle in Politik und Wirtschaft überzeugt. Nur wann? Ein deutscher Physiker hat berechnet, wann die letzten Benziner und Diesel verschwinden.
Foto: Privat

Richard Randoll, geboren am 3. März 1983, studierte allgemeine Physik an der Leibniz Universität in Hannover. Im März dieses Jahres reichte er seine Dissertation mit dem Titel "Investigations on a Packaging Technology for PCB Integrated Power Electronics" an der Universität Erlangen ein. Die Arbeit entstand beim Autohersteller Daimler.

SPIEGEL ONLINE: Auf der IAA reden alle Hersteller vom Elektroauto. Doch wann schafft die Technologie tatsächlich ihren Durchbruch und erhält erstmals einen signifikanten Marktanteil?

Randoll: Im Sommer 2022. Dann wird mindestens jeder zehnte Neuwagen weltweit ein E-Auto sein.

SPIEGEL ONLINE: Das klingt ein bisschen wie der Blick in die Glaskugel. Wie kommen Sie darauf?

Randoll: Unter anderem habe ich in meiner Promotion die weltweiten Verkaufszahlen von reinen Batterie-Elektrofahrzeugen ausgewertet. Spätestens seit dem Jahr 2011 sind sie zählbar. Damals startete mit dem Nissan Leaf das erste E-Auto in Großserie. Seitdem verdoppelt sich alle 15 Monate die Zahl der verkauften batteriebetriebenen E-Autos. Dieses natürliche Wachstum wird durch eine Exponentialfunktion beschrieben. Wählt man eine logarithmische Skala, so erscheint die Funktion als Gerade, deren Werte man für kommende Jahreszahlen ablesen kann. Im Sommer 2026 erreichen wir 100 Millionen Elektrofahrzeuge jährlich, das ist dann voraussichtlich die komplette Weltproduktion.

Trendlinie zum Erfolg der E-Mobilität

Foto: Richard Randoll

SPIEGEL ONLINE: Was heißt das?

Randoll: Das heißt, schon 2026 kommt das endgültige Aus für den Verbrennungsmotor. Wenn Ihnen im Jahr 2036 ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor begegnet, ist es vermutlich mindestens zehn Jahre alt.

SPIEGEL ONLINE: Ihre Überlegung basiert auf einem simplen Zahlenspiel. Kann es nicht Zufall sein, dass sich die Zahl der E-Autos alle 15 Monate verdoppelt?

Randoll: Nein, es gibt dazu noch eine einfachere Überlegung, die aber auf das gleiche Jahr hinausläuft: Ein Technologiewandel dauert genau so lang, wie die Lebensdauer des alten Produktes ist. Ein Beispiel: Die Durchschnittslebensdauer eines Handys liegt bei vier Jahren. Wenn Ihr altes Mobiltelefon nach vier Jahren kaputtgegangen ist, und es auf dem Markt bereits Smartphones gibt, werden Sie überlegen, ob Sie nicht auf die neue Technologie, also das Smartphone, umsteigen. Bei Verbrennungsfahrzeugen rechnet man mit einer mittleren Lebensdauer von 15 Jahren. Nimmt man wieder den Marktstart des Leaf, also das Jahr 2011, wäre im Jahr 2026 der Technologiewandel zum E-Auto geschafft.

Der neue Nissan Leaf

Der neue Nissan Leaf

Foto: Nissan

SPIEGEL ONLINE: Gibt es Beispiele aus anderen Branchen, die Ihre These belegen?

Randoll: Unzählige. Der Technologiewandel vom Handwebstuhl zum dampfbetriebenen Webstuhl, vom Holzsegelschiff zum Stahldampfschiff, von der Pferdekutsche zum Automobil mit Verbrennungsmotor, von der Dampflok zur Elektrolok, vom Röhrenbildschirm zum Flachbildschirm, von der Analogfotografie zur Digitalfotografie, vom Handy zum Smartphone, von der Glühbirne zur LED sind nur ein paar Beispiele aus der Vergangenheit. Die weltweite Energiewende im Strom- und Heizungssektor läuft gerade parallel zur Mobilitätswende.

SPIEGEL ONLINE: Wenn sich der Durchbruch der E-Mobilität so einfach voraussagen lässt - waren dann Hersteller wie Nissan oder Tesla nicht geradezu dumm, vor der tatsächlichen Marktreife Serienfahrzeuge anzubieten und damit hohe Verluste einzufahren?

Randoll: Der Tesla-Gründer Elon Musk soll einmal gesagt, haben: "If a trend becomes obvious, you are too late" - wenn ein Trend sichtbar wird, bist Du zu spät. Das stimmt. Nissan und Tesla haben alles richtig gemacht und mit ihren frühen Investitionen in die E-Mobilität nicht nur Verluste geschrieben, sondern sich auch wichtige Patente gesichert. Mit diesen stecken sie den Markt ab und werden lange davon profitieren. Das erklärt auch die gute Bewertung von Tesla an der Börse.

Tesla Model S

Tesla Model S

Foto: Tesla Motors

SPIEGEL ONLINE: Was könnte ihre Berechnung noch durchkreuzen?

Randoll: Ein Ereignis, welches die Weltwirtschaft beeinflusst. Historisch betrachtet brach der Automobilabsatz während des Zweiten Weltkriegs stark ein, setzte sich jedoch nach dem Krieg ungeändert fort.

SPIEGEL ONLINE: Wenn das Aus des Verbrennungsmotors nach Ihren Berechnungen 2026 kommt - braucht es dann noch politische Forderungen wie der Grünen, Diesel- und Benzinmotoren ab 2030 zu verbieten?

Randoll: Weil die Entscheidungen für neue Automodelle jetzt getroffen werden müssen, brauchen wir den Weckruf durch die Politik - auch mit konkreter Deadline. In Zeiten eines Wandels ist ein Verbot alter Technologie zu einem gut abgeschätzten Zeitpunkt verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik und kann dafür sorgen, dass heimische Unternehmen den Wandel überdauern.

SPIEGEL ONLINE: Können Sie ein Beispiel nennen?

Randoll: Das Glühbirnenverbot trug dazu bei, dass ein deutscher Glühbirnenhersteller den Technologiewandel zur LED überdauert hat.

SPIEGEL ONLINE: Wann wird die E-Mobilität durch den nächsten großen Technologiesprung abgelöst?

Randoll: Die Effizienz von Bewegungsmaschinen verdoppelt sich seit der Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt aus dem Jahr 1769 alle 60 Jahre. Der Wirkungsgrad der Dampfmaschine betrug damals drei Prozent, der Wirkungsgrad des Elektroautos aus dem Jahr 2011 lag bei 80 Prozent - diese Zahlen bestätigen diesen Trend. Kurzfristig wird ein Solardach den Wirkungsgrad des Elektroautos weiter steigern. Erst, wenn ein Serienprodukt einen besseren Wirkungsgrad als das E-Auto aufweist, wird dieses durch eine neue Technologie abgelöst.

SPIEGEL ONLINE: Auf der Automobilausstellung in Frankfurt kündigen fast alle Hersteller E-Mobilitätsoffensiven an. BMW will bis 2025 zwölf vollelektrische Modelle anbieten, Jaguar Land Rover ab 2020 alle neuen Baureihen zumindest elektrifizieren, Volvo sogar noch ein Jahr früher. Ist das zu wenig?

Randoll: Wenn eine Firma im Jahr 2025 zwölf batterieelektrische Fahrzeugmodelle im Angebot hat, dann wird jene Firma in jenem Jahr nur noch diese zwölf Fahrzeugmodelle verkaufen - alle anderen Modelle verschwinden - auch die mit Hybrid.